Antworten       

von Tobias A. Roth                    



„Mit ihm reden? Ja, das wäre wohl eine Möglichkeit gewesen... Aber irgendwie war das mit dem Reden nie so unsere Sache, mir ist einfach nichts eingefallen, was ich zu ihm sagen konnte.
Und dann würden Sie sich ja auch kaum für mich interessieren.“   (Lacht)

„Ja, doch schon, irgendwie ist es ein gutes Gefühl, so als wäre ich Sängerin oder Schauspielerin oder so was. Die anderen Mädels hier sind richtig eifersüchtig auf mich. (Lacht)
Als ich zwölf war, habe ich mich immer im Bad eingeschlossen und vor dem Spiegel gesungen, in die Rundbürste von meiner Mutter, so ein rotes Plastikding, aus dem sie nie die Haare raus gemacht hat, (lacht) eigentlich richtig eklig, aber da hab ich reingesungen als wäre es ein Mikrofon und mir vorgestellt, daß ich berühmt bin. Da konnte ich mich so richtig reinsteigern, bis irgendwer an die Türe gehämmert hat, wir hatten ja nur die eine Toilette.“

„Stimmt, das bin ich jetzt. Berühmt – bloß leider im Knast.“ (Lacht)  

„Hm, habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht... Ich glaube, das Schlimmste ist, nicht in Urlaub fahren zu können. Ibiza, da war ich schon paar Mal, da gefällt es mir am Besten. Mirko und ich, wir wollten immer mal nach Florida, ich war noch nie in USA. Daraus wird dann wohl nichts mehr.
Andererseits, jetzt bin ich natürlich froh, daß ich da nicht bin, in Florida meine ich, da würde ich wohl die Todesstrafe kriegen. Elektrischer Stuhl oder diese Giftspritze wie in dem Film, in dem der Typ mitgespielt hat, der mal mit Madonna verheiratet war, der war echt hart.“

„Na ja, früher war ich immer dafür. In der Schule mußten wir mal so einen Pro und Contra-Aufsatz schreiben, da habe ich mir immer so fiese Typen vorgestellt, die kleinen Kindern etwas antun und die sollten schon eine richtige Strafe kriegen, nicht nur ein paar Jahre in einer Komfort-Zelle, den ganzen Tag fernsehen und dann kommen sie raus und machen es wieder –
aber jetzt, ich meine es gibt Situationen, da weiß man sich nicht zu helfen, ich meine nicht, daß es richtig ist, aber da hat man keine Wahl.“

„Ich hatte echt Angst in dem Moment. Er hat mich mit dem Rücken an die Wand gedrückt und er war stark, hat ja jeden Tag trainiert, und er hatte ja auch oft gesagt, daß er mich umbringt, wenn ich ihn verlasse.“

„Ich habe gesagt, er soll abhauen, weil Thomas jeden Moment nach Hause kommt, aber er hat geantwortet, der kommt nicht so bald und das war richtig unheimlich, weil ich dachte, er hat Thomas etwas getan.“

„Natürlich hatte ich ihm das gesagt. Zu dem Zeitpunkt habe ich ja schon seit vier Wochen bei Thomas gewohnt. Aber er hat mich nicht in Ruhe gelassen.“

„Na ja, ich hatte noch eine Menge Sachen bei ihm, die wollte ich zurück haben.“

„Nein, ich habe ihn nicht gehaßt oder so was, ich wollte einfach nur, daß er mich in Ruhe läßt.“

„Das habe ich nicht getan.“

„Ich weiß, daß das in diesem Bericht steht, aber ich habe es trotzdem nicht gemacht.“

„Die können sich ja auch mal irren.“

„Ja, die Fotos ! Alle reden von den Fotos, dabei erkennt man Mirko noch nicht einmal richtig drauf. Scheiße, was soll das werden, eine verdammte Gruselshow oder was?
Ich werde dazu jetzt nichts mehr sagen.“

„Wissen Sie, das ist komisch, danach hat in all den Interviews noch nie einer gefragt. So als würden sich alle nur für den toten Mirko interessieren. So wie sie sich für mich nur als Mörderin interessieren.
Das war vor zwei Jahren auf dem Deutsch-Amerikanischen Volksfest. Ich war mit einer Freundin da und er hat bei den Auto-Scooters gearbeitet. Er hat mich zu einer Fahrt auf dem Riesenrad eingeladen. Meine Freundin hat gesagt, du spinnst, aber er hat mir gefallen. Er war so ein bißchen schüchtern und wußte doch genau, was er wollte. Mich (lacht).
 Als wir ganz oben waren, hielt das Riesenrad eine Zeit lang an. Ich weiß nicht, ob es kaputt war, auf jeden Fall hielt es ziemlich lange. Es war sehr heiß an dem Abend und dort oben wehte ein angenehmer Wind und wir konnten ganz weit sehen, die ganze Stadt  und all die Lichter unter uns.
Später hat er Lose gekauft und so ein riesiges pinkfarbenes Plüschtier gewonnen, das hat er mir geschenkt. Ich müßte es noch irgendwo haben.
Es war ein schöner Abend.“

„Ja, drei Wochen später bin ich zu ihm gezogen. Ich war froh, bei meinen Eltern raus zu kommen. Und am Anfang war es ja auch schön mit ihm.“

„Nichts Besonderes. Wir haben uns Videos geliehen, manchmal sind wir ins Kino gegangen. Und am Wochenende ins Blub . Oder wir sind aufs Feld raus gefahren, dort hin, wo die Typen ihre Modelflugzeuge fliegen lassen. Wenn das Wetter gut ist, fliegen da manchmal zwanzig Flugzeuge durch die Luft, da haben wir gerne zugeschaut.
Ganz normal eben.“

„Na ja, er fing an , mir auf die Nerven zu gehen. Ich durfte nichts mehr ohne ihn machen, noch nicht mal eine Freundin treffen und wenn ich eine halbe Stunde zu spät von der Arbeit kam, ist er ausgerastet. Er hing ständig in der Wohnung rum, weil das mit seinen Jobs nie so richtig geklappt hat. Er hat immer groß geredet, von irgendwelchen Projekten, aber es ist eben nie etwas draus geworden.“

„Thomas? Ja, den kannte ich noch aus der Schule, ich hatte ihn aber ein paar Jahre nicht gesehen.“

„Das war nicht wegen dem Geld. Klar, es hat mir schon gefallen, das dicke Auto, Wohnung vom Feinsten und alles, aber deswegen war es nicht. So eine bin ich nicht.“

„Weiß auch nicht. Ein ganz normales Mädchen würde ich sagen. Bei dem ein bißchen was schief gelaufen ist.“

„Nein, der will wohl nichts mehr mit mir zu tun haben.“

„Meine Mutter, nur meine Mutter. Aber vielleicht meldet sich ja mal einer bei mir, der auf Mörderinnen steht. Solls geben. Da können Sie dann auch was drüber machen, so als Fortsetzung von dem hier: „Ich liebe eine Mörderin“ ist doch ein gutes Thema. (Lacht)
Ganz schön krank.“

„Natürlich weiß ich, wie die mich genannt haben.   
 Man hat ja viel Zeit zum Lesen hier. „Die Schlächterin vom Munsterdamm“ – wirklich super witzig.“

„Ja, das stimmt, ich habe zwei Jahre lang in einer Metzgerei gearbeitet, aber ich weiß  nicht, was das mit der Sache zu tun haben soll.“

„Ja, die versuchen das, aber ich bin nicht verrückt.
Diesen schmierigen Typen, diesen Psychiater, den sollten Sie mal sehen, sitzt da und starrt mich an und stellt diese seltsamen Fragen, wie es mit Mirko im Bett war und so was und dabei hat er so ein komisches Zucken am Auge, also wenn hier einer nicht ganz dicht ist...ich lasse mich jedenfalls nicht in die Klapsmühle stecken. Dann schon lieber das hier.“

„Meine Anwälte sind sicher sauer, daß ich das jetzt so sage. Aber es ist schließlich meine Sache, oder? Nein, ich bereue es nicht wirklich, er war doch irgendwie selber schuld, ich meine, er hätte mich doch bloß in Ruhe lassen müssen. Wir hatten eine schöne Zeit, o.k., aber es war eben vorbei.
Obwohl es mir schon manchmal leid tut, daß er tot ist. Auch wegen seiner Familie. Die tun mir schon leid. Und ich habe ihn ja auch geliebt, am Anfang.“